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Das Mesenterium besteht aus einer doppelten Lage des Peritoneums, an dem die intraperitonealen Organe (Dünndarm, Dickdarm) an der hinteren Bauchwand aufgehängt sind. Innerhalb des Mesenteriums verlaufen Gefäße und Nerven, die den Darm versorgen. Üblicherweise werden verschiedene Mesenterien unterschieden, je nachdem, an welchem Organabschnitt diese ansetzen (z.B. Mesocolon transversum, Mesorektum).

In den Medien macht zu Beginn des Jahres 2017 eine Meldung die Runde, bei der es um die mögliche Definition des Mesenteriums als eigenständiges Organ geht. Grundlage dieser Aufmerksamkeit ist ein kurz zuvor veröffentlichter Artikel in der Fachzeitschrift Lancet – Gastroenterology and Hepatology der irischen Forscher Coffey und O’Leary, die am Universitätsklinikum Limerick tätig sind. Die Inhalte des Literaturüberblicks zur Bedeutung des Mesenteriums für die Krankheitsentstehung wollen wir Ihnen an dieser Stelle zusammengefasst vorstellen.

Rückblick

Eingangs geben die Autoren einen historischen Überblick zur Beschreibung des Mesenteriums in der medizinischen Literatur. Erste Erwähnung habe es schon bei DaVinci gegeben, der es als durchgängige Struktur beschrieb. Gegen Ende des 19.Jhd. stellten Toldt und Treves unterschiedliche Darstellungen vor, von denen letztere sich lange durchgesetzt habe. Treves‘ Darstellung zeige das Mesenterium nur angesetzt an Dünndarm, Colon transversum und Colon sigmoideum, wohingegen ein Ansatz auch an Colon ascendens und descendens als Anomalie betrachtet werde.

Neue Erkenntnisse und Möglichkeiten

Durch aktuelle Beobachtungs- und anatomische Studien konnte allerdings gezeigt werden, dass das Mesenterium eine durchgehende Struktur sei. Es ergeben sich laut Coffey und O’Leary verbesserte Möglichkeiten für Forschung und Lehre, z.B. im Bereich der Chirurgie, wo nun einheitliche Begriffe für die Beschreibung von Darmresektionen verwendet würden. Weiterhin biete sich die Möglichkeit einer systematischen Erforschung des Mesenteriums und seiner Bedeutung für Gesundheit und Krankheit.

Physiologie

Die Autoren beschreiben den Verlauf der Struktur im Bauchraum: Die „Wurzel“ liegt im Bereich des Ansatzpunktes der Arteria mesenterica superior an der Aorta, es folgt das Mesenterium des Dünndarms, Mesocolon, Mesosigmoid und Mesorektum. Die am Dünndarm ansetzenden Bereiche des Mesenteriums sind mobil, im Gegensatz zu Mesocolon und Teilen des Mesosigmoid, welche an der hinteren Bauchwand anliegen und durch die Faszie von Toldt mit dieser verbunden sind. Anschauliche Grafiken verdeutlichen, dass an allen Flexuren des Darms die intestinalen, mesenterialen, peritonealen und faszialen Gewebe jeweils durchgehend sind. Aufgrund des Zusammenhangs der faszialen Struktur, die bisher nur teilweise als Faszien von Toldt bezeichnet werden, schlagen die Autoren vor, auch die anderen Bereiche auszuweiten (z.B. Waldeyer-Faszie, Gerota-Faszie) unter diesem Begriff zu zählen.

Funktionen

 

Bedeutung für Erkrankungen

Durch das verbesserte Verständnis der physiologischen Form des Mesenteriums ließen sich Untersuchungen über abnorme Befunde und deren Zusammenhang mit Erkrankungen ableiten. Die zusammenhängende Struktur diene einerseits zum Aufrechterhalten der Homöostasis, biete andererseits aber auch die Grundlage zur Ausbreitung einer Erkrankung. Coffey und O’Leary nehmen folgende Unterscheidung vor:

Primäre Mesenteropathien: Volvulus, Malrotation, Verschluss oder Thrombose von Arterien oder Venen, Hernien, zelluläre Störungen (z.B. sklerosierende Mesenteritis), Zysten. Diese Erkrankungen haben Ihren Ursprung direkt im Mesenterium.

Sekundäre Mesenteropathien: entstehen durch Einfluss äußerer Faktoren und indirekte oder systemische Verbreitung. Beteiligung des Mesenteriums bei bösartigen Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt oder Entzündungen (z.B. Divertikulose), Morbus Crohn; ein Zusammenhang von viszeralem Fett am Mesenterium und der Entstehung von Diabetes, Übergewicht, metabolischem Syndrom sowie Arteriosklerose scheine wahrscheinlich, müsse aber noch erforscht werden (Zusammenhang mit Regulation des C-reaktiven Proteins).

Behandlungsansätze mit Bezug zum Mesenterium:

Bislang werde das Mesenterium im Rahmen von Operationen gezielt einbezogen. Die Entfernung von Teilen des Mesenteriums bei Darmresektionen habe sich in der Praxis als vorteilhaft erwiesen. Weitere Erforschung dieser Struktur könnte zu einer Standardisierung chirurgischer Verfahren führen und die Durchführung von RCTs ermöglichen. In Bezug auf eine medikamentöse Behandlung existierten bisher nur wenige Tierstudien.

Viele Fragen werden durch die neue Betrachtung des Mesenteriums als zusammenhängende Struktur aufgeworfen, die Anlass zu gezielter Forschung böten. Anatomische und andere Eigenschaften müssten untersucht werden, z.B. ob und welcher Zelltyp des Mesenteriums für dessen Funktion die größte Bedeutung hat. Weiterhin könne diese Entdeckung eine Erklärung für muskuloskellettale, okulare oder Hautveränderungen bei Darmerkrankungen bieten, z.B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder für bislang ungeklärte Krankheitsbilder.

 

Referenz: Coffey JC, O’Leary DP: The mesentery: structure, function, and role in disease. Lancet Gastroenterol Hepatol 2016; 1: 238-47

[1] z.B. Stenose der Mesenterialareterien

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