Liebe Freunde der Osteopathie,

dieses Interview mit Matthew Appleton (GB) gibt mehr Aufschluss über die Inhalte seines Kongress-Workshops zum Thema „Babykörpersprache – was sie uns über uns verrät“.
Welche Rolle spielt die Körpersprache für die Behandlung und wie kann mir das Verständnis für die Körpersprache bei anderen Behandlungmethoden helfen? Viel Spaß beim Ergründen dieser Fragen.

 

Appleton

 

Matthew Appleton (GB): Eltern-Baby-Therapeut in Bristol, England und internationaler Dozent. Seine Arbeit bezieht sich auf die Pioniere der heutigen pränatalen Babytherapie. Sein Schwerpunkt ist die säuglingszentrierte Traumatherapie nach Schwangerschafts- und Geburtstraumatisierungen.

OSD: Worauf sollte der Therapeut Ihrer Meinung nach während der Behandlung eines Säuglings besonders Acht geben?

Matthew Appleton (GB): Säuglinge sind äußerst sensible menschliche Wesen, die in enger Beziehung zu ihren innersten Gefühlen und den gegebenen äußeren Umständen stehen. Sie erfahren das Leben stets intensiv im gegenwärtigen Moment und häufen so eine Vielzahl an vergangenen Erlebnissen an. Sie sind gezwungen diese Erfahrungen mit sich selbst auszumachen, da sie noch wenig bis keine emphatische Resonanz von Seiten ihrer Bezugspersonen und betreuendem medizinischem Personal wahrzunehmen vermögen. Verfolgen wir aufmerksam, was sie uns durch ihre „Babykörpersprache“ und ihr „Memory Crying“ zeigen, ist es ihnen möglich, sich mit ihren gesammelten Erfahrungen weniger einsam zu fühlen.

OSD: Welche Rolle spielt die Körpersprache des Säuglings für die Behandlung?

 Matthew Appleton (GB): Die Fähigkeit die Körpersprache der Säuglinge zu deuten und darauf entsprechend zu reagieren, erlaubt es uns, tiefer in ihre Welt einzusteigen, als wenn wir lediglich die strukturelle und physiologische Ebene einbeziehen. Babys fühlen das. So ist es uns möglich, ihre Bedürfnisse dezidierter zu deuten und darauf einzugehen. Dieser Umstand erlaubt eine Entspannung, die durch traditionelle Behandlungsmethoden, nicht immer zu erreichen gewesen wäre. Babykörpersprache bezieht sich für gewöhnlich auf ein pränatales oder geburtliches Trauma, das noch nicht vollständig aufgelöst, als nicht integrierte Erfahrung in den Fluida, dem Gewebe und der Neurologie in Form des impliziten Gedächtnisses verbleibt. Als solches nimmt es ein Eigenleben an und kann so zu untröstlichem Schreien führen, das die Eltern wiederum in Not versetzt und ihnen in vielen Fällen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten rauben kann. Somit ist es umso wichtiger, auch den Eltern das Verständnis für die Babykörpersprache näher zu bringen und ihnen den Unterschied zwischen Weinen, das aus einem akuten Bedürfnis entsteht, und dem genannten „Memory Crying“ zu vergegenwärtigen. Somit kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden.

OSD: Was lernen die Teilnehmer in Ihrem Workshop?

 Matthew Appleton (GB): Sie erhalten einen Einblick in die Welt des Säuglings, wie er sie durch seine Körpersprache auszudrücken vermag. Dies umfasst sowohl pränatale Faktoren, als auch die Geburt aus der Sicht des Kindes. Dadurch wird die tiefe emphatische Resonanz mit dem Baby ermöglicht. Babykörpersprache ist zum Einen universell und trotzdem sehr spezifisch, da sie den exakten Punkt verraten kann, von dem das Kind in seiner pränatalen oder geburtlichen Entwicklung Trauma zurückbehalten hat. Filmausschnitte, die Behandlungen an Säuglingen zeigen, werden genutzt, um dies weiter zu illustrieren. Auch wird ein theoretischer Überblick über die physiologischen und psychologischen Einflüsse der vier Geburtsstadien aus Sicht des Kindes (im Gegensatz zu den dreien, die die Geburtshilfe beschreibt) gegeben. Auch die pränatalen, umbilikalen Dynamiken werden genutzt, um den Teilnehmern die Orientierung in der Welt des Säuglings zu vereinfachen und so letztlich die Körpersprache und ihre Bedeutung zu verstehen. Um wirklich tiefgreifend mit Säuglingskörpersprache arbeiten zu können, ist eine eingehende Ausbildung von Nöten. Dies beinhaltet auch die experimentelle Arbeit an unseren eigenen pränatalen und geburtlichen Erlebnissen. Allerdings vermag auch lediglich ein Einblick in die Welt der Säuglingskörpersprache die eigene klinische Praxis zu bereichern und zu verändern.

OSD: Ist es leicht, die Arbeit mit Säuglingskörpersprache in andere Behandlungsmodalitäten zu integrieren?

Matthew Appleton (GB): Jedes Behandlungsformat, das auf Säuglinge ausgerichtet ist, profitiert von dem Verständnis der Säuglingskörpersprache und dem des „Memory Crying“. Therapeuten verschiedenster Modalitäten wurden bereits darauf geschult, eben diese Säuglingskörpersprache zu verstehen. Ihnen wurden die Fähigkeiten vermittelt, um pränatale und geburtliche Traumata tiefgreifend aufzulösen. Darunter fallen Osteopathen, kraniosakrale Therapeuten, Chiropraktiker, Pädiater, Hebammen, Doulas, pädiatrische Krankenpfleger und Psychotherapeuten. Darüber hinaus weisen nicht nur Säuglinge, sondern auch erwachsene Patienten Säuglingskörpersprache auf, wenn auch unterbewusst. Wir alle tragen „unerzählte Geschichten“ mit uns herum, die davon profitieren würden „geteilt“ zu werden. Viele physische und psychologische Krankheiten sind verwurzelt in frühsten Erlebnissen. Da sich diese Erfahrungen außerhalb des vorherrschenden Verständnisses der menschlichen Entwicklung bewegen, bleibt es einem jeden von uns überlassen, diese Geschichten mit uns selbst auszumachen. Ein jeder Therapeut, der durch emphatisches Geschick darauf aufmerksam macht, wie wir durch diese frühen Erfahrungen geformt werden, vermag, ein tieferes Verständnis für die Bedeutung des Menschseins in seine Praxis zu integrieren.

OSD: Vielen Dank für das Interview!

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