Parkinson-Patienten wird häufig ein Hirnschrittmacher implantiert, der über eine Stimulation des subthalamischen Nucleus (DBS, engl. für deep brain stimulation) die motorische Symptomatik wie den Rigor (lat. für Muskelsteife) reduzieren soll.

 

Betrachtung des Placebo-Effektes

Vor circa einem Jahr veröffentlichten die estnischen Wissenschaftler Rätsep und Asser (2016) einen Artikel, in dem der Placebo-Effekt genutzt werden konnte, um die Symptome von Patienten mit Morbus Parkinson (MP) zu verbessern. Die Autoren zitierten darin weitere Studien, die zeigten, dass eine Placebo-Behandlung zur Dopamin-Ausschüttung bei MP-Patienten führen kann und die neuronale Entladung im subthalamischen Nucleus reduziert werden konnte. Ihr Ziel war es, die zugrundeliegenden Mechanismen des Placebo-Effektes genauer zu untersuchen (assoziativer Lernprozess) und die vermittelnden Faktoren (Patientenerwartung über den Effekt einer Behandlung) zu hinterfragen.

 

Methodik: Klingelt etwas beim Namen Pavlov?

Für die klassische Konditionierung werden Stimuli aus der Umgebung genutzt, z.B. akustische oder visuelle. Rätsep und Asser führten eine Studie mit 10 MP-Patienten durch, in der sie eine Konditionierung einsetzten. Die Probanden wurden seit mindestens einem Jahr über einen Hirnschrittmacher mit DBS behandelt und unterbrachen während des Studienzeitraumes ihre Standard- Medikation. Als Zielparameter wurde die viskoelastische Stiffness des Musculus extensor digitorum, gemessen über eine Myotonometrie, als valider Indikator des parkinsonspezifischen Rigor erhoben.

Die Patienten durchliefen während der Studie verschiedene Phasen:

Prä-Konditionierungsphase

Konditionierungsphase

Placebo-Testphase

 

Studienergebnisse

Es zeigte sich ein signifikantes Benefit durch die DBS-Behandlung bei allen 10 Studienteilnehmern, indem es zu einer Reduktion der motorischen Symptomatik durch die Stimuli des Hirnschrittmachers kam im Vergleich zu den Messungen mit ausgeschaltetem Taktgeber.

Die viskoelastische Stiffness der Interventionsgruppe war signifikant niedriger während der Konditionierungs- und Placebo-Testphase, verglichen mit der Prä-Konditionierungsphase (p<0,01 und p<0,05). Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen der Konditionierungs- und Placebo-Testphase (q=65; p>0,05). Die Autoren schließen daraus, dass die Konditionierung auf Umgebungsreize (in diesem Fall akustische) den Placebo-Effekt auf die Muskelsteifigkeit bei Parkinson triggern können. Der akustische Stimulus allein konnte die viskoelastische Stiffness signifikant herabsetzen, nachdem er mit der effektiven Hirnstimulation assoziiert worden war.

Die Autoren diskutieren eine Vermittlung dieses Effektes über unbewusste Funktionen wie die Ausschüttung von Hormonen als Antwort auf bewusste Reaktionen des Körpers. Zusätzlich könnte die Konditionierung als Methode angesehen werden, um eine Erwartung gegenüber einem bestimmten Reiz zu schulen, wie in dieser Studie die Erwartung einer DBS durch das Wahrnahmen eines akustischen Signals. Dieser Effekt kann in der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht klar abgegrenzt werden gegenüber einer möglichen Erwartung der Hirnstimulation über das optische Wahrnehmen einer Scheinbewegung zur vermeintlichen Anschaltung des Schrittmachers.

Mercado et al. (2006) zeigten, dass die Erwartung eines Therapieeffektes allein das Ausmaß einer Verbesserung durch DBS beeinflussen kann. Diese Erwartungen – und damit der klinische Effekt – könnte durch gezielte Patienteninformation beeinflusst werden. Neurobiologische Mechanismen wie individuelle Dopaminfreisetzung könnten eine weitere Rolle im Verständnis des Placebo-Effektes spielen.

 

Verwendung von Placebo-Gruppen in RCTs

In der Durchführung von randomisierten kontrollierten Studien (RCT, engl. für randomized controlled trial) gibt es verschiedene Optionen bei der Auswahl geeigneter Kontrollgruppen. Häufig wird der Effekt einer neuen Intervention mir einer Null-Kontrollgruppe verglichen. In dieser Vergleichsgruppe sind die Probanden darüber informiert, dass sie keine Intervention erhalten. Entsprechend werden die Teilnehmer der unterschiedlichen Gruppen systematisch anders „behandelt“ (mögliches Performance bias, wenn es zum Beispiel deutlich mehr Kontakt zum Arzt oder Pflegepersonal in der Interventionsgruppe gibt, kann das allein das untersuchte Outcome, z.B. die Lebensqualität beeinflussen). Andere Optionen für Vergleichsgruppen sind Standard-Versorgung, wenn die Nicht-Behandlung von Patienten oder eine Placebo- oder Scheinbehandlung aus ethischen Gründen nicht in Frage kommen. Im letzteren Fall können Patienten hinsichtlich ihrer Gruppenzugehörigkeit geblindet sein, so dass ihnen nicht bewusst ist, dass sie nicht behandelt werden. Ein Unterschied des Effektes zwischen Interventions- und Placebo-Gruppe könnte eine realistischere Einschätzung des „tatsächlichen“ Effektes der Intervention geben, wenn alle anderen Faktoren in der Placebo-Gruppe identisch ablaufen (also das Performance bias reduzieren).

 

Referenz:

Rätsep T, Asser T: Placebo effects induced by auditory cues decrease parkinsonian rigidity in patients with subthalamic stimulation. Behav Brain Res. 2016 Mar 15;301:27-32

Mercado R, Constantoyannis C, Mandat T, Kumar A, Schulzer M, Stoessl AJ, Honey CR: Expectation and the placebo effect in Parkinson’s disease patients with subthalamic nucleus deep brain stimulation. Mov Disord. 2006 Sep;21(9):1457-61.

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