Die voranschreitende Spezifizierung in medizinischen Berufen macht auch vor der Osteopathie nicht Halt. Aktuell stechen drei größere Schwerpunkte in der Vielfalt der osteopathischen Behandlungsansätze und fachlichen Vertiefungen heraus: Die Kinderosteopathie, die Tierosteopathie und die Sportosteopathie. Dabei ist die letztgenannte gar nicht so aktuell. Bereits bei den olympischen Spielen 1936 wurde eine Delegation amerikanischer und britischer Osteopathen als „First Olympic Osteopathic Committee“ entsandt.  Bis heute mag eine klare Definition für Sportosteopathie aufgrund der fehlenden Abgrenzbarkeit und der Vielschichtigkeit der Osteopathie fehlen; Osteopathie im Sport hingegen ist nicht neu und doch aktueller denn je.
Wer sich in seiner therapeutischen Arbeit auf den Sportbereich konzentrieren möchte, steht vor der Herausforderung, sich in das interdisziplinäre Geflecht aus Sportlern, Trainern, Ärzten, Physiotherapeuten, Masseuren, Athletiktrainern, Sportpsychologen sowie Reha- und Konditionstrainern einzubinden. Generell wird Osteopathie speziell im Leistungs- und Hochleistungssport als präventive, trainings- und wettkampfbegleitende und insbesondere nach Überlastungssyndromen rehabilitierende Behandlungsmaßnahme eingesetzt. Osteopathische Behandlungen sollen verhindern, dass es bei den Athleten zu einschränkenden Adhäsionen, Verkürzungen und Funktionsverlusten in dem verletzten Gewebe kommt. Außerdem gilt es, eine größtmögliche funktionelle Biomechanik zu gewährleisten und es der körpereigenen Physiologie zu ermöglichen, sich optimal auszudrücken. Auch soll mithilfe der Sportosteopathie die allgemeine vegetative Reaktionslage und das Immunsystem des Körpers verbessert werden, um zur Leistungssteigerung beizutragen. Für die Praxis bedeutet dies, das SportosteopathInnen vermehrt mit akuten oder subakuten Beschwerden und Verletzungen konfrontiert werden. Aus persönlicher Erfahrung ist festzuhalten, dass sich LeistungssportlerInnen oftmals in einem Spannungsfeld aus hohen eigenen Erwartungen, Perfektion und externen Faktoren wie Leistungsdruck sowie eventuell finanzieller Abhängigkeit bewegen. Dies kann die Erwartungshaltung an den möglichst zügigen Behandlungserfolg verstärken. Beispielsweise kann eine Olympia-Qualifikation eine einmalige Chance sein.
Um daher den eigenen therapeutischen Ansprüchen und denen der Athleten und Athletinnen gerecht zu werden, muss der osteopathische Horizont erweitert werden.  Wer Sportler – unabhängig von ihrer Leistungsstärke – behandeln möchte, muss sich mit deren sportartspezifischen Belastungsmustern und den möglichen Krafteinwirkungen ihrer Sportart auskennen. Umfassende Kenntnisse aus der Trainingslehre und Sportwissenschaft sind notwendig, um Trainingsreize und körperliche Belastung in die osteopathische Behandlung mit einfließen zu lassen. Das Therapeutenteam um Johannes Fetzer* aus Hamburg hat dazu das erfolgserprobte Konzept „Release, Mobility & Control“ entwickelt. In diesem nimmt neben der osteopathischen Diagnostik und Behandlung (z.B. das Auffinden einer ursächlichen Dysfunktion und das manuelle Lösen dieser), die durch individuell angepasste Trainingsformen gewonnene Stabilität und Mobilität eine gleichberechtigte Stellung ein. Spezifisches Training wird Teil der osteopathischen Therapie und sorgt erfahrungsgemäß für eine stärkere Compliance der Sportlerinnen und Sportler.
Beitrag von Jan Canjé (BA Sportwiss., HP, Osteopath) – Dozent für Sportmedizin und Sportosteopathie an der OSD
Informationen zu unserer Weiterbildung Sportosteopathie finden Sie hier: https://www.osteopathie-schule.de/kursprogramm/sportosteopathie-weiterbildung.html
*) Johannes Fetzer ist MSc Ost., Physiotherapeut und Heilpraktiker. Er unterrichtet als Dozent für Sportmedizin und Sportosteopathie an der OSD
Literaturempfehlungen:

  1. Engelhardt, M. (2016) (Hrsg.) Sportverletzungen: Diagnose, Management und Begleitmaßnahmen. 3. Auflage, München: Urban & Fischer Verlag
  2. Myers, T. (2015) Anatomy Trains: Myofasziale Leitbahnen. 3. Auflage, München: Urban & Fischer Verlag
  3. Weineck, J. (2010) Optimales Training. 16. Auflage, Balingen: Spitta Verlag

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